Costa Ricas Schätze- Traumstrände
Gott lässt alles nur so lange wachsen, bis es perfekt ist. Manches ist schneller fertig, Costa Rica zum Beispiel. Bei der Erschaffung dieses Landes scheint Gott einen extrem kreativen Tag gehabt zu haben. Das kleine Land ist so proppevoll mit Wundern und Abwechslung, so vielseitig, dass auch mühelos ein 15 Mal so großes Land mit ihnen gefüllt als „artenreich“ betitelt worden wäre. Allein 20 Mikroklimazonen gibt es in diesem Ländchen, das kaum größer ist als Bayern. Nirgendwo auf der Welt existiert eine ähnliche geologische Vielfalt auf so kleinem Raum. Die zentralen Kordillieren, die Cordilleras, bilden eine von Nordwest nach Südwest verlaufende Grenze, welche die niederschlagreiche Karibikküste und die wechselfeuchte Pazifikküste voneinander trennt. Die beiden Küsten und die Bergregionen weisen eine Vielzahl verschiedener Mikroklimata auf, die ein Grund für die Fülle verschiedener Ökosysteme des Landes sind. Mangrovensümpfe, Nebelwälder, Regen -und Trockenwälder, viele erloschene, eine Handvoll aktiver Vulkane, Gebirgshochland, Traumstrände, Seen- die Landschaftsformen sind so vielseitig, das Klima so wechselhaft, dass man sich nicht selten mehrmals an einem Tag umziehen muss.
Wieder im Schulalltag und Wochenrhythmus gefangen, haben wir nur die Wochenenden und Ferienzeiten, um unser Zuhause auf Zeit zu entdecken. Ein Glück, dass wir hier keine kanadischen Weiten vorfinden, dass wir uns Costa Rica in kleine Häppchen einteilen können, sechs Monate Zeit haben, diese zu genießen.
Einer unserer Lieblinsstrände ist der Playa Herradura, knapp eine Stunde Fahrt von Atenas entfernt. Hier verbringen wir viele Wochenenden, manchmal auch Wochennachmittage. Ein Ausflug an den Strand ist eine der besten Möglichkeiten, die Lebensart der Ticos, wie die Costa Ricaner sich selbst bezeichnen, kennenzulernen. Die Stille deutscher Strandkorbburgen ist ihnen fremd. Hier fährt man mit dem Auto rückwärts an den Strand, öffnet die Heckklappe und genießt Wind und Wellen mit ordentlich Bass und Bier, gerne auch mit BBQ. Niemand liegt hier mit einem Buch auf dem Handtuch. Es wird getanzt, getobt, gekreischt, stundenlang im hüfthohen Wasser palavert. Zwischen den Palmen, die den Strand säumen, sind Hängematten aufgespannt, Hunde und Kinder springen fröhlich durcheinander, manche gucken Filme auf dem Handy. Die Bierflaschen fassen bis zu zwei Liter, werden herumgereicht. Die Kinder essen pappsüßes Eis, Snowcones, das die Strandverkäufer unter hygienisch zweifelhaften Umständen vor Ort herstellen: von einem großen Eisblock werden mit einem Spachtel Slusheis-ähnliche Stückchen geraspelt, mit süssem Sirup und Kondensmilch übergossen und mit Zucker oder Kokosflocken garniert. Unsere Kinder machen einen weiten Bogen um diese Leckerei und wenn sie einmal ein geschenktes Eis nicht ausschlagen können, teilen sie es sich zu viert- geteiltes Leid ist halbes Leid. Wir lieben das bunte Gewusel, sind aber nicht selten nach einem solchen Strandtag völlig erschöpft von all den Eindrücken, genießen es dann wieder in der Stille unseres Gartens zu sein.
Einen Platz allerdings, den mag ich genauso wie unser verandaumbautes Haus im Grünen: Am 11.7.2019 verliebe ich mich. Hals über Kopf, mit Haut und Haar und Worte wie „auf ewig Dein“ flirren von da an vor meinen verzückten Augen. Als wir ein paar Tage nach Timms OP das Stillsitzen nicht mehr aushalten, setzen uns ins Auto, fahren auf die Nicoya Peninsula, in den Nordwesten Costa Ricas. Wir landen in Santa Teresa, auf einem der schönsten Strände der Halbinsel und sind schockverliebt:
An die staubige Hauptstraße reihen sich Surfboardverleihe, Naturkostläden, Yogastudios, kleine Hotels, Cafés und Strandbars. Man läuft barfuß, Quads und Mopeds haben Transpotvorrichtungen für Surfboards. Sonnenbrillen haben hier auch ein Glas fürs dritte Auge. Kinder mit von der Sonne ausgeblichenen Haarspitzen tollen im weißen Sand. An den hohen Bäumen, die den Strand säumen, hängen Turntücher. Zum Sonnenuntergang spucken Artisten Feuer, Hunde tollen, Pärchen knutschen. Eine wahnsinnig schöne Frau schneidet ihrem auf einem Treibholzstamm sitzendem Mann die Haare, zu seinen Füßen spielt ihr zweijähriger Sohn nackt im Sand. Ein Mann geht mit 5 Hunden und einer Ziege am Strand spazieren. Einkaufen geht man im Bikini und Boardshorts. Jack Johnson tönt aus den Coffeeshops, Brüllaffen schreien von den Baumwipfeln. Ab und zu prasselt ein Regenschauer nieder, man tanzt im Regen, wäscht sich das Salzwasser von der sonnenwarmen Haut. Der Strand ist der schönste Strand, den ich seit langem gesehen habe, er ist endlos weit, in allen Schattierungen von Zucker, gesäumt von Palmen und Mangroven. Man braucht hier keinen Sonnenschirm, legt sich einfach unter das dichte Blätterdach, das in einem dicht gewebten grünen Teppich die Berghänge hinab kriecht, aus dem es zwitschert, zirpt, quakt und brüllt. Handtellergroße blaue Schmetterlinge flattern durch die Äste eichenhoher Frangipanibäume, die Blüten haben hier Formen, die europäische Blumen phantasielos erscheinen lassen. Hier möchte ich meine Füße in den Sand stecken und Wurzeln schlagen, beginne zu träumen:
Jeden Morgen würde ich auf der Veranda meines vanillefarbenen Holzhauses der Sonne beim Aufgehen zusehen. Nach ein paar Sonnengrüßen, würde ich das Surfbrett unter dem Arm den Strand entlanglaufen, der Gischt entgegen, herausfinden, warum es Lungenflügel heißt. Meinen vom vielen Yoga makellos knackigen Hintern würde ich unerschrocken aufs Surfboard schwingen, ein paar Wellen surfen, viele nicht. Weil ich zu beschäftigt wäre, dieses wunderschöne Fleckchen Erde in den Wellen dümpelnd vom Board aus zu bestaunen. Völlig mit mir und der Welt zufrieden, würde ich mich nach vielleicht zwei Stunden an den Strand schwemmen lassen, an dem inzwischen unser Hund schwanzwedelnd auf mich wartet. Zusammen würden wir nach Hause gehen, wo der fertig gedeckte Frühstückstisch auf uns wartet. Die Kinder haben Obstsalat gemacht, Timm frischen Espresso aufgebrüht, alle sind entspannt. Lotta klimpert auf ihrer Gitarre, die Jungs kuscheln mit ihren Katzenbabys in der Hängematte, Paula hängt kopfüber im Turntuch im höchsten Baum des Gartens. Und jeden Tag nach dem Frühstück würden wir als Familie losziehen und einen großen schwarzen Müllsack voller Mikroplastik vom Strand aufsammeln. Zwar bleibt der Strand von Santa Teresa aufgrund der Strömung verschont, im Sand des benachbarten Strandes Playa Hermosa aber zeichnen die kleinen Plastikteilchen bunte Muster in den Sand. In Santa Teresa, da bin ich mir bei unserem ersten Besuch von insgesamt Dreien sicher, wäre ich bis ans Ende meiner Tage froh (vorausgesetzt natürlich, ich fühle mich auch im hohen Alter im Bikini wohl). Am Abend liegen wir in den Betten unserer etwas muffigen Strandhütte, horchen, wie der der Regen auf das Blechdach prasselt. Es ist, als hätten sich alle Wolken der Welt getroffen, um genau hier an diesem Strand wieder ins Meer zu fließen. Wäre ich eine Wolke, würde ich‘s genauso machen. Nach dem Regen wandern wir am nächsten Tag zu einem Wasserfall, der nun die Farbe von Durchfall hat. Die Kinder springen unerschrocken von den Klippen in die dunkle Brühe. Max zögert, die anderen drei ermutigen ihn, halten ihm die Hand, springen gemeinsam. Er überwindet seine Angst, wächst ein paar Zentimeter in nur wenigen Sekunden. Da Timms Rücken mehr Ruhe braucht, beschließen wir, nicht wie geplant weiterzufahren, sondern bleiben einfach. Als wir uns nach ein paar Tagen endlich losreißen können, hat Timm sich schon ausführlich mit dem Immobilienmarkt hier auseinandergesetzt. Die Kinder singen „I’ve got Mörtel (statt murder) on my mind“, die Hymne, die sie in Zukunft jedes Mal anschlagen, wenn sein Imobilieninteresse mit ihm durchgeht.
Auf unserer zweiten Nicoya Expedition sind wir schlau genug, von Norden zu kommen, Santa Teresa als letzten Ort der Etappe anzufahren. Anders wären wir wahrscheinlich wieder dort hängen geblieben, hätten viel verpasst. Die Strände von Tamarindo und Flamingo Bay zum Beispiel, die in der Saison überlaufen, nun in der Regenzeit aber herrlich menschenleer sind.
Playa Junquillal und Playa Osteonal, ein Strand, der Schauplatz eines biologischen Wunders ist. Während der Regenzeit von August bis Ende Dezember, treffen sich jedes Mal eine Woche vor Neumond, in der dunkelsten Zeit des Monats Hunderttausende Meeresschildkröten auf dem nur wenige Kilometer langen Strand, um hier im schwarzen Vulkansand ihre Eier abzulegen. Diese „Arribadas“, spanisch für Ankunft, hat man bisher nur bei Oliv-Bastard Meeresschildkröten beobachtet. Schon Tage vorher treiben Tausende von Schildkröten im ufernahen Meer, auf ein geheimes Zeichen hin kommen die ersten paar hundert an Land, gefolgt von Tausenden in den nächsten 3-7 Tagen. Obwohl sie hauptsächlich in der Dunkelheit zwischen Sonnenuntergang und Aufgang kommen, bietet sich uns um die Mittagszeit ein beispielloses Spektakel:

Schildkröten, so weit das Auge reicht. Im Sand die Hüllen aufgebrochener Eier. An ein Leben im Wasser gewöhnt, schleppen die Schildkröten mühsam ihre schweren Körper durch den Sand. Die Anstrengung steht in ihren Augen, viele haben Verletzungen am Nacken und den Vorderfüßen, dort wo der Panzer an der Haut scheuert.
Unendlich lang und mühevoll scheint der Weg, links und rechts lauern Geier und Hunde, die nur darauf warten, die mühevoll gelegten Eier wieder auszugraben. Leben und Tod scheint so nah beieinander, ich meine, die Qual in den Gesichtern der Schildkröten zu sehen, bin gleichzeitig fasziniert und tieftraurig. Mit ihren Flossen graben sie Kuhlen in den Sand, pressen unter höchster Anstrengung 80-100 tischtennisballgroße, runde Eier in die Mulde, graben sie danach wieder zu. Da viele der Eier der ersten Schildkröten, die während einer Arriba an Land kommen von den später kommenden Schildkröten zerstört werden, ist Anwohnern in den ersten Tagen einer Arriba das Sammeln von Eiern erlaubt. Angeblich sollen sie die menschliche Libido steigern, gegen Impotenz helfen. Im Gegenzug allerdings helfen diese, den Strand sauber zu halten und die Schildkröten an den Resttagen der Arriba zu schützen.

Nach 45-54 Tagen, je nach Temperatur, die auch das Geschlecht der Schildkröten bestimmt, schlüpfen die Kleinen. Auch hier helfen die Anwohner von Osteonal den Kleinen sicher ins Wasser zu gelangen. Zwar müssen die Schilkrötenbabies, um ihre Lungenfunktion vollständig auszubilden, selbstständig den anstrengenden Weg ins Meer bewältigen, beschützt allerdings werden sie, indem Geier und Hunde ferngehalten werden. Die Kleinen riechen das Meer, wissen instinktiv, wohin sie gehen müssen. Manchmal tragen die Anwohner sie ein kleines Stück über den heißesten Teil des Strandes. Die meisten der Kleinen werden ihr Fortpflanzungsalter nicht erreichen. Die allerdings, die es schaffen, werden nach 10-15 Jahren an ihren Geburtsstrand zurückkehren.

Mindestens 1,5 Stunden sitzen wir gebannt im Schatten eines Baumes und bestaunen diesen Anblick. Die Schildkröten, scheinbar von ihrer biologischen Pflichterfüllung besessen, haben keine Scheu, graben auch ein Nest neben unserem Rucksack. Es ist schwer, stillzuhalten und nicht einzugreifen, den Schildkröten nicht beim Graben zu helfen oder ihnen den Weg einfacher zu gestalten. Während wir noch darüber philosophieren, hat Max schon lange seinen ganz eigenen Weg gefunden, den Schildkröten zu helfen. Er hat die Dorfhunde um sich versammelt und wirft ihnen Stöckchen. Das Paradies, das hat Max schon jetzt für sich erkannt, besteht nicht aus einem makellosen weißen Sandstrand. Nur dann, wenn mindestens sechs Hunde in nächster Nähe durch den Sand toben, hat ein solcher Paradiespotential.
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