Prince George

Während die Grade draußen sinken, wird es in Roger immer heißer. Die Temperatur ist mit dem Holzofen schwer zu steuern, es ist entweder kalt oder heiß, dazwischen gibt es nicht viel. Inzwischen weist unser Badezimmerschrank ein Brandloch auf, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Schornstein zu nah an der Holzverkleidung verläuft, dass Timm umbauen muss. Obwohl wir laut Eintrittskarte noch eine Nacht und fast zwei Tage hätten bleiben können, beschließen wir, Jasper verfrüht zu verlassen und Richtung Prince George zu fahren, wo wir versuchen wollen, den Werkstatttermin auf ein früheres Datum zu legen. Der Abschied von Gigi ist traurig, der Weg nach Prince George auch.

Schon im Jasper National Park ist uns aufgefallen, dass große Flächen des Waldes nicht gesund aussehen. Was auf den Fotos wie herbstliche Laubfärbung wirkt, ist tatsächlich das Resultat einer Borkenkäferplage (red attack), vor allem bei Kiefern, die ja bekanntlich normalerweise nicht die Farben ihrer Nadeln verändern. Seit Ende der 1990 Jahre breitet sich dieser Käfer explosionsartig über Kanada aus, wütet besonders in Britisch Columbia. Er gräbt sich in die Rinde, frisst von dieser nährstoffreichen Schicht und legt dort seine Eier ab. Zugleich schleppt er Sporen eines Pilzes ein, der den Wasser- und Nährstofffluss des Baumes  so sehr stört, dass dieser schließlich verhungert. Durch die vielen toten Bäume reduziert sich die Gesamtmenge an verdunstetem Wasser, das normalerweise von den Bäumen und dem Waldboden aufsteigt und das wiederum hat zur Folge, dass die Durchschnittstemperatur im Sommer um bis zu einen Grad Celsius ansteigt. Nahezu die Hälfte der wirtschaftlich nutzbaren Kiefernwälder in Britisch Columbia sind von der Käferplage betroffen, eine Besserung ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Ironischerweise sind es gerade Umweltschutzmaßnahmen und verbesserter Brandschutz, die dieser Plage die notwendige Nahrungsgrundlage bieten. Der Käfer befällt hauptsächlich Bäume mit einem Alter von 80 Jahren plus, und da aufgrund eines bewussteren Umgangs mit den Ressourcen das Durchschnittsalter der kanadischen Wälder wieder gestiegen ist, ist der Tisch für den Borkenkäfer reichhaltig gedeckt. Die Auswirkungen des Klimawandels und ausbleibende Kälteperioden tun ihr Übriges. Einzige Möglichkeit gegen den Käfer vorzugehen ist es, infizierte Bäume zu fällen und zu verbrennen, sowie kiefernfreie Zonen zu schaffen. Auf jedem Campingplatz seit Nova Scotia haben wir Schilder gesehen, die Camper bitten, nur lokales Feuerholz zu verbrennen und nicht die Vorräte über weite Distanzen zu transportieren. Auch das ein Umstand, der es uns nicht leicht macht, immer trockenes Holz für unseren Ofen vorrätig zu haben.

Von Jasper aus geht es bergab, die Temperaturen steigen merklich, schon bald sind wir unterhalb der Schneegrenze. Und je mehr wir an Höhe verlieren, desto schneller scheint Roger wieder zu fahren. Wir lassen den Nebel hinter uns, fahren vom grauen Winterwetter zurück in den sonnigen Herbst. Die Blätter leuchten in den schönsten Herbstfarben, am Rand des Highways sitzt eine Bärenmama mit ihren Kleinen, eine Frau mit Sack auf dem Rücken sammelt Müll. Es ist unmöglich die riesigen Distanzen von Kanadas Highways allein durch kommunale Arbeitskräfte sauber zu halten. Man sieht daher überall entlang der großen Straßen „Adopt a Highway“ Schilder auf denen die Namen lokaler Vereine, Firmen oder von Privatpersonen genannt sind, die sich freiwillig  darum kümmern, eine gewisse Strecke dieses Highways sauber zu halten. Wird man dabei erwischt, dass man Müll aus dem Autofenster wirft, muss man mit Strafen bis zu $2000 rechnen. Es scheint zu wirken-die Highways sind absolut müllfrei!

Bevor wir unser Camp auf einem Campingplatz in Prince George aufschlagen, machen wir noch einen Zwischenstopp im Ancient Forest/Chun T’oh Whudujut Provincial Park, machen eine kurze Wanderung durch diesen einzigartigen Binnenland Regenwald , in dem bis zu 2000 Jahre alte Zedern mit einem Durchmesser von bis zu 5m wachsen. Auch dieser Park, der noch recht jung ist, wird von einem lokalen Wanderclub gehegt und gepflegt. Im Unterholz pflanzen lachende Jugendliche Bäume, ein alter Mann versieht den Holzsteg, der das Wandern im Wald vereinfacht mit Teerpappe, damit die Besucher nicht ausrutschen. Soziales Engagement vom Feinsten und scheinbar eine Eigenschaft, die In Kanada zur Grundausstattung seiner Bewohner gehört.

In der Werkstatt in Prince Rupert bietet man uns an, zwei Tage vor dem Termin zu kommen, was bedeutet, dass wir das Wochenende hier verbringen werden. Wir finden einen Campinglatz mit W-Lan und Waschmaschine, zwei Dinge, die wir dringend benötigen. Zwar haben wir eine kleine Waschmaschine an Bord, die allerdings läuft nur mit einem extra Generator, der auf Campingplätzen zu laut ist. Wenn es regnet oder schneit, haben wir zudem keine Möglichkeit, unsere Wäsche zu trocknen. Meine Jeans trage ich schon seit 8 Tagen, meine Haare triefen vor Fett und der Rauch von Lagerfeuer und Holzofen sitzt in jeder Pore. Die Dusche haben wir nur sehr sparsam benutzt, um Wasser zu sparen, zum Glück war Mützenwetter!

Auf dem Campingplatz so scheint es, wohnen viele der Camper dauerhaft. Die Wohnwagen haben Terrassen, Feuerholzlager und abgesteckte Hundeausläufe. Unsere direkte Nachbarin begrüßt uns  mit einer Bierdose in der Hand. Es scheint ruhig zu sein um diese Jahreszeit, da freut man sich über Ablenkung. Ihr Mann arbeitet als Logger (Holzfäller) in den umliegenden Wäldern, daher ist sie unter der Woche viel allein. Bis vor Kurzem hatte sie einen Job, hat aber gerade gekündigt, weil die Jagdtsaison begonnen hat. Jagen und Fischen sind ihre Leidenschaft, damit verbringen sie und ihr Mann ihre gesamte Freizeit. Gerade heute habe er einen Bären geschossen, den er gerade im Trailer zerteilt. Mir wird ein wenig komisch. Ob Bärenfleisch denn schmecke und wie man es zubereiten würde. Soo lecker sei es nicht, man müsste Wurst daraus machen. Es käme auch auf das Alter des Bären an. Dieser sei ein Junger aus dem Wald gewesen und kein „Garbage Bär“ wie man sie in der Nähe menschlicher Siedlungen antrifft. Ob sie denn auch das Fell nutzen, möchte ich wissen. Nein, sie hätten auch nicht den ganzen Bären mitgenommen, das sei zu aufwendig. Ihr Schwager wäre Tierpräperator und kenne sich super mit Fellen und allem aus, der Aufwand lohne sich nicht mit einem Schwarzbärenfell. Sie erzählt den Kindern, dass sie ganz ähnlich aufgewachsen ist, wie unsere Kids. In einem Trailer, immer draußen, schon als Teenager konnte sie Fangeisen leeren. Ich sehe, wie Lottas Gesichtszüge langsam entgleisen, versuche die redselige Nachbarin irgendwie loszuwerden, was sich als äußerst schwierig gestaltet. Nachdem sie noch ein wenig auf den Präsidenten Kanadas schimpft, der es den Loggern so schwer macht, lädt sie uns für den Abend zu sich in den Trailer ein. Als ich auf ihre Frage ob wir lieber Bier oder Hartes mögen sage, dass wir gar keinen Alkohol trinken, ist ihr Interesse augenblicklich erloschen.

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Die Kinder genießen die Pause, fahren mit dem Fahrrad, toben auf dem Spielplatz der sich auf einer kleinen Waldlichtung hinter dem Campingplatz befindet. Timm bastelt am Auto, Lotta zeichnet und ich wasche und trockne  stundenlang Wäscheberge. Der Regen hat sich vollends verzogen, ab und zu scheint die Sonne durch das Herbstlaub. Wir entspannen, jedenfalls bis ein weiterer  Nachbar kommt um uns zu sagen, dass die letzten zwei Nächte ein sehr großer Bär im Camp gewesen ist und einen 20 kg Hundefuttersack geklaut hat. Wir sollen die Kinder nicht aus den Augen lassen, da er hier irgendwo im Gebüsch sitzt und auf die Dunkelheit wartet. Ich weiß nicht, um wen ich mir mehr Sorgen mache, um die Kinder oder um den Bären, dessen Leben bei den schießwütigen Nachbarn am seidenen Faden hängt. Als ich später im Dunkeln mit der letzten Ladung Wäsche über den Platz laufe, ein paar Meter vor mir ein riesiger dunkler Schatten über den Platz huscht, die Zweige knacken und die Nachbarn Radau machen, mache ich mir vor allem um mich selber Sorgen.

Den Werkstatttermin am Montag sagen wir ab, fahren, nachdem Timm selbst ein bisschen an Roger rumgeschraubt hat und nun ein „ sehr gutes Gefühl“ hat, weiter Richtung Bella Coola. Langsam, finden wir, ist es genug mit geteerten Strassen, wir wollen versuchen, querfeldein zu fahren, suchen einen Weg über rumpelige Schotterstraßen bei denen die Kinder auf dem Dach sitzen können.

Kanada

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