Volcan de Lodo El Totumo
Kaum haben wir Cartagena hinter uns gelassen, ändert sich die Landschaft schlagartig. Um uns verdorrte, gelb gebrannte Landschaft, die Bäume und Büsche tragen keine Blätter mehr, auf dem festgebackenen staubigen Boden wächst wenig. Ein paar in Zäunen und Buschgerippen verhedderte Plastiktüten sorgen für farbliche Abwechslung, an ihnen zerrt ein heißer, starker Wind. Wir fühlen uns zurückversetzt ins südliche Afrika, selbst die Menschen am Straßenrand passen in dieses Bild. Ein paar afrokolumbianische Jungs stehen mit ihren Fahrrädern am Straßenrand, ein Mann mit krausem Haar und blendend weißen Zähnen reitet auf seinem Eselchen vermutlich nach Hause, zwei Vaqueros, die kolumbianische Version des Cowboys, treiben eine Herde Kühe über die staubigen Weideflächen. Selbst die Weidezäune aus krummen Hölzern, verbunden mit zweireihigem Stacheldraht erinnern uns an Afrika, an eine andere Zeit, an eine andere Reise.


Wir sind spät dran. Viel länger als erwartet hat es gedauert, bis wir Roger in Cartagena abfahrbereit hatten. Da man, wie uns die IOverlander App verrät, am Parkplatz des Vulkanes El Totumo campen darf, überlegen wir nicht lange, schlagen ein einfaches Camp auf, bevor wir im warmen Licht der Nachmittagssonne den Schlammvulkan besteigen.

Himmel und Hölle liegen beim Reisen manchmal nah beieinander. Nachdem wir in den letzten Tagen ausgiebig in paradiesischen Gewässern geschwommen sind, steigen wir nun hinab in das Bad des Teufels. Einst, das glauben die Einwohner des kleinen Dorfes am Volcan de Lodo Totumo, hat der Teufel in diesem gelebt, hat ihn wütend Schlamm und Schwefel speien lassen. Dann, so die Legende, kam ein Priester, besprenkelte den Vulkan mit Weihwasser und seitdem gilt er als heilbringend. Der ton- und mineralhaltige Schlamm, der aus 500m an die Oberfläche blubbert und den 20m hohen Vulkan bis zum Rand füllt, gilt als heilsam bei jeglichen Haut- und Rheumaerkrankungen. Ein Schlammvulkan wie der El Totumo entsteht, wenn aufgeschlämmtes tonreiches Sediment in der Erdkruste aufsteigt. Aufgrund der geringen Dichte und der Quellfähigkeit der Tonminerale, sucht der Schlamm den Weg an die Erdoberfläche. Durch zahlreiche Ausbrüche wächst um den Vulkanschlot im Laufe der Zeit ein Schlammkegel. Weltweit existieren mehrere tausend dieser Schlammvulkane, der El Totumo aber soll der Schönste an Kolumbiens Karibikküste sein. Wohl auch, wie frische „Ausbruchsspuren“ verraten, weil die Anwohner ihren Vulkan pflegen und sauber halten und ihm ab und zu eine neue Schlammkruste gönnen.

Über eine steile Treppe steigen wir hinauf zum Kraterrand, der mit einem grob gezimmerten Holzgeländer gesichert ist. Ein junger Mann aus dem Dorf weist uns den Weg, stellt unsere Badeschlappen in eine ordentliche Reihe, nimmt mein Telefon an sich, um Fotos zu machen. Von hier oben bietet sich ein atemberaubender Blick über die Lagune Cienaga Totumo, die Sonne taucht sie in goldenes Licht, Fischer kommen mit ihren Einbäumen zurück. Das Ufer der Lagune ist mit Mangroven bewachsen, weiße Schlangenhalsvögel staksen im seichten Wasser, lassen sich von den Wasserhyazintenteppichen tragen.

Timm steigt als erster herunter in die Öffnung des Vulkans, steckt vorsichtig einen Zeh in den Schlamm, steigt dann weiter hinab, versucht, seinen Kopf horizontal zu halten, nur um kurze Zeit später den Kampf gegen die Schlammdichte zu verlieren. Es ist absolut unmöglich, sich aufrecht im Schlamm zu bewegen oder gar zu schwimmen. Wie ein Korken wird er immer wieder an die Oberfläche gedrückt. Im letzten Moment verhindert ein Dorfbewohner, dass die Kinder mit einer Arschbombe im Schlamm landen. Sie werden dazu angehalten langsam in den Schlamm zu steigen. Nachdem ich das obligatorische Familienfoto “mit ohne Mama“ geschossen habe, wage auch ich mich in den braungrauen Modder. Der warme Schlamm legt sich sofort wie eine zweite Haut um meinen Körper, ist pudrig zart und weich, kaum greifbar. Ich spüre keinen Boden unter den Füssen, unter mir geht es 500m tief in die Erde. Auch ich habe Mühe, mich aufrecht zu halten, rutsche eher ungelenk wie auf einer glatten Oberfläche vorwärts. Mit geübtem Griff bugsiert mich ein Dorfbewohner in Rückenlage, beginnt sofort beherzt mich von Kopf bis Fuß zu massieren, den heilsamen Schlamm tief in meine Poren einzuarbeiten.

Außer einem weiteren Pärchen und einem kleinen Jungen aus dem Dorf, mit dem Max schon auf dem Parkplatz Freundschaft geschlossen hat, sind wir ganz allein. Zum Glück, denn den Kindern macht es offensichtlich eine unfassbare Freude, sich im Matsch zu suhlen, ihn sich in die Haare zu schmieren, sich zu bewerfen und gegenseitig unter die Oberfläche zu drücken. Genauso, das glauben sie, fühlt sich eine Fliege im Schokoladenpudding.









Und genauso schwierig wie für die Fliege die Befreiung aus dem Pudding, gestaltet sich unser Ausstieg aus dem Vulkanschlot. Der Schlamm ist überall, zwischen den Zehen und Fingern, klebt in Augen und Ohren, es ist schwer, nicht von der Leiter abzurutschen. Mit der Eleganz einer Made glibschen wir den Berg hinab, meine Bikinihose kann die Last des Schlammes nur schwer tragen, das Oberteil flutscht lustig hin und her und erfüllt seine Aufgabe nur leidlich. Unser junger Freund zeigt uns den Weg zur Lagune, rät uns schnell zu machen, denn schon bald, sobald die Sonne untergegangen ist, werden die Moskitos kommen. Viele.



Als wir das Ufer der flachen Lagune erreichen, hat sich hinter uns eine Traube älterer Damen gebildet, die mit kleinen Plastikschüsseln in der Hand mit uns in die braungraue Brühe steigen. Sie reichen uns ihre freie Hand, führen uns an die tieferen Stellen und innerhalb von Sekunden ergießt sich die erste Ladung Wasser über unseren Köpfen, habe ich links und rechts einen Finger im Ohr, der mir den Schlamm aus den Gehörgängen prokelt. Ein kurzer Blick auf meine Familie und ich sehe, dass jeder von ihnen seine persönliche Waschfrau hat, dass bei Max und Carl schon wieder die natürliche Haarfarbe durchscheint. Ich bin den Frauen unendlich dankbar, hatte doch die Aussicht meinen Jungs die Haare waschen zu müssen mein Schlammbad die ganze Zeit ein bisschen getrübt. Noch während die Dankbarkeit mir im Herzen kribbelt, kribbelt es überraschend auch über meinem Herzen. Meine Waschfrau macht sich an meinen Brüsten zu schaffen, zerrt an meinem Bikinioberteil, bedeutet mir, es auszuziehen. Dann ritscht sie mir die Bikinihose so lange durch den Hintern, bis ich auch die lieber ausziehe, um ihre Waschwut auf meine Textilien umzulenken. Die Frauen wissen was sie tun, unter ihren geübten Handgriffen sind wir schon bald wieder blitzeblank, entsteigen etwas überwältigt und ungläubig lachend der Lagune.

Die Frauen begleiten uns bis zum Truck, warten geduldig bis wir jeder von ihnen ein kleines Trinkgeld gegeben haben, dann kommt der Masseur, den ich so frisch gewaschen gar nicht erkenne und fragt höflich, ob uns die Massage gefallen habe. Auch er bekommt ein Trinkgeld, ebenso unser junger Freund fürs Fotos machen und Latschen hinterhertragen. Dann ist Ruhe, jedenfalls im Truck. Draußen schwirren blutrünstig Schwärme von Mücken, bellen zwei Hunde, weht ein kühler Wind. So kühl, dass wir das erste Mal seit Mexiko unsere nun babyzarten, etwas modrig riechenden Körper in die dicken Decken hüllen.



Einmalig die Bilder und Erzählung von eurer Schlammschlacht, eine rundum fröhliche Familie.
Toll, dass Du zur Zeit so viel schreibst. Wir warten immer gespannt auf die neue Folge von der „Reisefamilie“ und lesen sie dann gemeinsam nach dem Abendessen vor. Vielen Dank Herzliche Grüsse aus Rottenburg am Neckar Bleibt gesund! Ute
Hach, vielen Dank! Herzliche Grüße zurück aus Ecuador, auch der Blog eird sls hier ankommen